Gibt es freiwillige Sexarbeit?
Ich finde es immer höchst sonderbar, wenn Menschen mich der Lüge bezichtigen, wenn ich sage, dass ich meinen Beruf liebe. Fragt man dieselben Leute, was denn die schönste Sache der Welt sei, ist die Antwort nämlich klar - Sex!
Früher habe ich - wie wir alle vermutlich - in den Sommerferien gejobbt. Ich erinnere mich noch gut an das Arbeitsumfeld im Supermarkt: es wurde versucht, die Leistung der Mitarbeitenden nicht durch positive, sondern durch negative Verstärkung (Rüge statt Lob) zu verbessern. In Bezug auf meine Person hat das so gar nicht funktioniert, ich wurde komplett demotiviert, weinte oft nach der Arbeit und verließ recht bald das Unternehmen. Wenn man schon Leute hat, die für wenig Geld für einen hakeln, dann ist es doch das Mindeste, sie gut zu behandeln. Jetzt bin ich selbstständig, habe Menschen, die für mich arbeiten und muss mich von keinem Chef mehr anschnauzen lassen. Dieser Luxus ist extrem kostbar - ich werde nie mehr ein Bewerbungsschreiben verfassen oder mich schlecht behandeln lassen müssen.
Dennoch gibt es unzählige Menschen, die noch nie mit selbstbestimmten Prostituierten gesprochen haben und es sich anmaßen, uns zu sagen, was das Beste für uns sei. Gibt man Alice Schwarzer und co. diese zwei Optionen zur Auswahl - Sexarbeit oder Supermarkt -, wäre die Antwort für sie klar: Sie würden uns lieber in einem toxischen Arbeitsumfeld zugrunde gehen sehen bevor wir als Sexarbeiterinnen selbstbestimmt und glücklich leben.
Von allen Jobs, die ich bisher gemacht habe, war mit Abstand keiner so selbstbestimmt und frei wie die Sexarbeit. Ich sehe schon die Schlagzeile "Julia von Steyr: Toxische Arbeitsumfelder und ein Mangel an Möglichkeiten zwingen Frauen in die Sexarbeit!". Nein. Ich bin eine wohlhabende, österreichische Studentin - mir stehen alle Türen offen. Dennoch kann ich mir absolut nicht vorstellen, die Prostitution aufzugeben.
Auch aus logischer Perspektive verstehe ich nicht, wieso uns glücklichen Sexarbeiterinnen nicht geglaubt wird: Wenn Sex die schönste Sache der Welt ist und er sogar ein Beruf sein kann, wieso macht man dann was anderes? Mir leuchtet es wirklich nicht ein, wieso es nicht viel mehr Prostituierte gibt. Klar, die Diskriminierung ist krass, aber mein Job ist dafür ficken und gefickt werden, das gleicht sich aus.
Beide Seiten bringen füreinander sichtlich wenig Verständnis auf. Doch nur weil ich nicht verstehe, wie man freiwillig im Supermarkt arbeiten kann, weil ich damit schlechte Erfahrungen gemacht habe, heißt das nicht, dass wir deswegen Einzelhandelskauffrauen und Supermärkte verbieten sollen *hust, hust, Huschke Mau*. Vielleicht sollten wir einander einfach öfter zuhören. Oder überhaupt zuhören.