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Ich bin keine Prostituierte, ich bin Künstlerin!

Aktualisiert: 17. Juli 2022

Frenchie, eine französische Edelprostituierte, die in den USA arbeitet, eröffnete eines ihrer Interviews mit folgendem Statement: "I am so far from being a prostitute and so far from being even an escort, I am a sex artist."

Was ich vor der Sexarbeit als realitätsfernen Blödsinn abtat, kann ich heute nachvollziehen. Aber gehen wir einen Schritt zurück:


Wir schreiben das Jahr 2021. Während ich mich mit meinem Hund auf den Weg nach draußen mache, scrolle ich durch YouTube und stoße auf ein Interview mit Frenchie. Im Titel wird sie als Escort beschrieben, was mich natürlich sofort interessiert, weshalb ich meine Kopfhörer aufsetze, das Video anklicke und mein Handy wegstecke.

"I'm so far from being a prostitute and so far from being even an escort [...]" Bitte was? Ungläubig krame ich mein Handy wieder aus meiner Jackentasche, weil ich mir genau ansehen möchte, welche Dame solche Sachen von sich gibt. "Frenchie hat Sex für Geld und arbeitete schon in diversen Bordellen - wenn sie etwas ist, dann eine Prostituierte.", dachte ich mir. Jo eh, aber ganz so einfach scheint es dann doch nicht zu sein.


Was ist denn eigentlich Prostitution? Duden definiert es als "gewerbsmäßige Ausübung sexueller Handlungen". Und eine Escortdame ist eine "Frau, die gegen Bezahlung für eine bestimmte Zeit ihre Gesellschaft [und sexuelle Dienstleistungen] anbietet". - Also eigentlich genau das, was Frenchie macht. Ich bin mir sicher, dass ihr diese Definitionen auch geläufig sind und obwohl sie exakt das tut, was man unter Prostitution und Escort versteht, sieht sie sich fernab von alledem. Warum?


Frenchie wuchs abgeschnitten von Themen wie der Sex-Industry auf und startete ihre Karriere als Sexarbeiterin unabsichtlich und naiv. Bis heute bleibt ihr Bild von Prostitution jedoch vorurteilsgeprägt: Sie scheint diesen Beruf damit zu verbinden, dass Männer dafür bezahlen, sich an Frauenkörpern abreagieren und auszucken zu dürfen. Der Mann bekommt den Sex, die Frau bekommt das Geld. Sichtlich verwirrt scheint sie gewesen zu sein als sie feststellten musste, dass das in der Praxis ganz anders aussieht: Frenchie fand in der Sexarbeit nämlich ihre Berufung, erlebt sich während der Arbeit als gleichberechtigtes Individuum und nicht als Mietobjekt und kann mit dem allgemein tristen Bild von Prostitution nicht viel anfangen. Sie hat Spaß an der Arbeit, ist ein glücklicher Mensch und ja - Erotik ist eine Kunstform. Weil sie von Prostitution immer nur Schlechtes vermittelt bekommen hat, sieht sie sich nicht als Prostituierte und auch nicht als Escortdame, sondern als Sexkünstlerin. - Bis ich diese Erkenntnis jedoch gewann, sollten noch viele Monate vergehen, in denen ich glaubte, ihr Selbstbild sei einfach eine Traumareaktion ihrer Psyche.


Ich persönlich sehe mich in Bezug auf ihr Statement als Prostituierte, Escortlady und Sexkünstlerin. Das liegt aber einfach an den tatsächlichen Definitionen dieser Berufsbezeichnungen und nicht daran, dass ich mich in irgendeiner Weise als Mietobjekt sehen würde. Es ist auch in der Prostitution nicht so, dass die Männer den Sex bekommen und die Frauen das Geld. Zu einer sexuellen Dienstleistung gehören nämlich mindestens zwei Leute. Der Mann lässt mir vorab Wertschätzung zuteil werden (Geld), das finde ich charmant und wir haben Sex. WIR haben Sex. Indem ich auf Kundenwünsche eingehe, bringe ich wiederum meine Achtung vor der Wertschätzung meines Gegenüber zum Ausdruck. Das bedeutet aber nicht, dass ich dabei zurückstecke - im Gegenteil: Es gefällt mir und erregt mich, meine Kundschaft aufblühen zu sehen.


Prostitution ist für mich ein spannender sexueller Austausch zwischen mindestens zwei Individuen auf Augenhöhe - auch wenn ich dabei vor jemandem knie oder auf jemandem sitze. Paydates sind ein gemeinsames Erlebnis und keine Einbahnstraße; alle Beteiligten profitieren gleichermaßen von den unterschiedlichen Aspekten, die das mit sich bringt. Wenn man dafür geschaffen ist, ist Sexarbeit die schönste Tätigkeit der Welt. - Das kann auch Frenchie, die sich prostituierende Nicht-Prostituierte, bestätigen.

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