Julia kommentiert Kommentare zu ihrem STANDARD-Interview
Mein STANDARD-Interview ist eine Goldgrube für das Auflösen von Vorurteilen, weshalb ich meinen Senf nun ein weiteres Mal dazugeben möchte:
"Es ist nichts nunmal Achtenswertes daran, Männer sexuell zu bedienen, die auf normalem Wege keinen sexuellen Kontakt zu Frauen zustande bringen und sich deswegen einen Frauenkörper kaufen. Dieses Verhalten der Freier verdient keinerlei Achtung, daher fällt es auch entsprechend schwer, beim Gegenpart Achtenswertes zu verorten."
Würden diese Menschen so etwas auch zu den jungen Burschen im Rollstuhl sagen, mit denen ich im Rahmen der Sexualbegleitung Sex habe? Sie sind teilweise fast gleich alt wie ich und wünschen sich einfach nur eine Freundin, die sie kuscheln, busseln und lieb haben können. Oder zählt das dann plötzlich nicht mehr als Prostitution, weil der Kunde kein mächtiger, älterer Mann mehr ist?
"Bei so viel Freude an der Sexarbeit wundert es mich, dass es überhaupt eine MeToo-Bewegung gibt"
Noch nie in einem Leben durfte ich so einen vollkommenen Schwachsinn lesen. Hut ab.
"„Ich will Sexarbeit anttabuisieren“….und dazu ein Foto ohne Gesicht. Kannst net erfinden"
Sehr lustig. Ich habe den STANDARD sogar gebeten, meinen Namen und Fotos von mir zu verwenden und sie haben sich geweigert, weil sie keinesfalls Werbung für mich machen wollen. Auch Kommentare, die meinen Namen enthalten, werden leider regelmäßig von der Moderation gelöscht.
"Ich verachte diese Damen nicht, sie tun mir sehr leid."
Im Namen der Sexarbeiterinnen aller Segmente - hört auf, uns in eine Opferrolle zu schieben. Weder die Kollegin am Straßenstrich, noch im Studio, noch im Hotelzimmer wollen Mitleid. Redet bitte mit uns bevor ihr eure Meinung daran orientiert, was ihr in Hollywood-Filmen gesehen habt.
""Man muss auch einen anderen Zugang dazu haben, wie man Ästhetik wahrnimmt. Ich finde alle Körper – unabhängig von Alter, Geschlecht oder Gewicht – schön."
Tut mir leid, aber das kaufe ich ihr nicht ab."
Setzt euch in einen Park und beobachtet die Menschen. An jeder einzelnen Person, die an euch vorbeispaziert, ist etwas Schönes zu entdecken. Die eine hat süße Grübchen, der andere hat schöne Hände - jeder Mensch hat sowohl innerlich als auch äußerlich attraktive Eigenschaften. Wirklich jeder.
"Ich vermute einmal dass "Sarah" zu einer Minderheit in diesem Beruf zählt
Der Großteil arbeiten unselbständig und ein weiterer Teil unfreiwilig, wobei sich diese beiden überschneiden."
Ich kann es nur wiederholen, was ich euch schon die ganze Zeit versuche zu sagen: Bitte sprecht MIT uns, nicht über uns.
Wir von der Berufsvertretung Sexarbeit Österreich (BSÖ) werden in den kommenden Monaten Veranstaltungen planen, bei denen ihr uns ungezwungen und selbstverständlich kostenlos kennenlernen könnt. Ich werde die Events auf meiner Homepage ankündigen und natürlich auch persönlich erscheinen. Vielleicht kann ich meine Kolleginnen außerhalb der BSÖ auch überzeugen vorbeizuschauen. Mittlerweile kenne ich Urgesteine der österreichischen Sexarbeit, die alles ausprobiert haben und wirklich tiefe Einblicke liefern.
"Mit 14 und so einem Verhalten kann man davon ausgehen, dass entweder keine Eltern da waren oder diese sie nicht ausreichend geschützt haben."
Ich wuchs gemeinsam mit meinen Eltern und Großeltern am Hof auf. Wenn meine Mutter im Büro war, hat sich mein Vater - er war beruflich selbstständig und nicht an fixe Arbeitszeiten gebunden - liebevoll um mich gekümmert. Wenn beide Elternteile nicht zuhause waren, was selten vorkam, konnte ich noch immer meine Großeltern besuchen, die im Stockwerk über uns wohnten. Meine Kindheit verbrachte ich in der Natur, ich spielte mit den Nachbarskindern und erkundete unsere Wälder. In unserer Eigenjagd ging ich mit meinen Eltern und unseren Hunden regelmäßig auf die Pirsch. Mit meinen Großeltern grillte ich Kartoffeln im Garten. Ich bin Einzelkind und das Ein und Alles meiner Familie. Sollte ich Hilfe brauchen, kann ich jederzeit wieder zu ihnen auf's Land ziehen.