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Sind Sexarbeitende genervt, wenn man sie ausfragt?

Besonders andere junge Frauen, die ich in sexpositiven Lounges kennenlerne, geben mir oft das Gefühl, dass ich das Faszinierendste bin, was ihnen je über den Weg gelaufen ist. Sie bekommen große Augen, die sie nicht mehr von mir wenden können und ihnen brennen viele Fragen auf der Zunge, die sie teilweise bewusst zurückhalten, weil sie glauben, mich damit zu nerven. Auch mein Klientel ist sehr vorsichtig, was das Stellen von Fragen betrifft und sagt oft dazu, dass sie mir nicht zu nahe treten wollen.


Diese Verhaltensweisen finde ich unglaublich charmant. Gerade politisch aktive Sexarbeitende freuen sich im Normalfall sehr darüber, wenn man ihnen Fragen rund um unsere Lebensrealität stellt, weil wir aufklären möchten. Dennoch ist es wichtig, den Rahmen und die Grenzen zu kennen:


Was wir gar nicht mögen, ist, wenn uns Leute über WhatsApp ausfratscheln wollen. Solche Medien dienen der Unternehmenskommunikation: Service besprechen, Termine ausmachen. Es gibt viele Männer, die nur so tun als wären sie an einer Buchung interessiert, um mit uns reden zu können. Die meisten Sexarbeitenden durchschauen das früher oder später, weshalb wir da nicht mitmachen. Wir wollen auch nicht über WhatsApp besprechen, wie es uns geht, wie unser Tag war etc. Wir sind nicht die Freundin, mit der man sich trifft und der man nebenbei Geschenke gibt, wir sind Dienstleisterinnen, die täglich mit unzähligen Nachrichten von potentiellen Kund(inn)en überschwemmt werden und unseren Lebensunterhalt mit Sexarbeit verdienen.


Wer mit mir sprechen möchte, der kann mich entweder ganz unkompliziert buchen oder das Glück haben, mich zufällig beim Fortgehen zu treffen. Weiters sind Journalist(inn)en und Studierende gerne willkommen, die an Reportagen über Sexarbeit arbeiten. Ich setze mich auch gern mit meiner Stammleserschaft auseinander und beantworte nach Möglichkeit Nachrichten zu meinem Blog.


Sexarbeitende haben nicht deshalb so strenge Grenzen, was die Kommunikation betrifft, weil wir uns für etwas Besseres halten, sondern weil es SO VIELE Deppen gibt, die uns absichtlich unsere Zeit stehlen wollen. Wenn ihr wüsstest, was wir für dumme Nachrichten bekommen, ein Artikel dazu ist in Planung. Dann gibt es auch intellektuell schwächergestellte Männer, die einfach nicht verstehen, dass Sexarbeiterinnen Dienstleisterinnen und nicht die privaten Freundinnen sind. Denen muss man auch klare Grenzen aufzeigen, was bedeutet, dass man sie im Endeffekt fast immer blockiert, weil sie es geistig einfach nicht umsetzen können, dass Sex unsere Arbeit ist. Die dritte Kategorie Mann ist die, die sich denkt "Na ich schau halt mal" und uns schreibt, ohne eine Buchungsentscheidung getroffen zu haben. Das ist absurd, denn einen Arzt kontaktiert man auch nicht einfach so, sondern nur, wenn man was Konkretes braucht. Und es gibt die, denen einfach nur langweilig ist. Die meinen es meist auch nicht böse, denken aber einfach nicht nach, dass ihr Verhalten egoistisch und schädlich ist. Besonders zu nächtlichen Stunden melden sich dann die Männer, die mit einem schreiben wollen, damit sie sich gut einen runterholen können. 95% der Interessent(inn)en, die mich kontaktieren, ignoriere bzw. blockiere ich, weil sie nicht wissen, wie man sich verhält.


Nun gut, der Rahmen ist geklärt, jetzt zu den Grenzen der Fragestellungen: Was wir nicht mögen, sind Leute, die uns, nachdem sie erfahren haben, dass wir Sexarbeit machen, fragen, ob wir uns denn auch in den Arsch ficken lassen. Die Frage ist - warum auch immer - besonders beliebt bei Taxifahrern, die mich nach dem Fortgehen nach Hause bringen. Das hat nichts mit dem Erkundigen um Serviceleistungen zu tun, da geht's um's Aufgeilen. Wir beantworten auch nur ungern Fragen nach unseren persönlichen Daten. Wo wir zu Schule gegangen sind, wo genau wir aufgewachsen sind, wo und was wir studieren etc. sind sensible Informationen, die wir nicht weitergeben wollen. Ich wage zu behaupten, dass fast jede Sexarbeiterin eine Kollegin kennt, die mit Stalking zu tun hatte. Die Kundschaft verliebt sich teilweise in uns und will alles über uns wissen - das ist nicht ungefährlich und wir müssen uns schützen.


Zusammenfassung:


Was wir nicht mögen:

- Fragen nach sensible Daten

- Fragen nach Arschficken ohne Buchungsabsicht


Was wir mögen:

+ Fragen nach allem anderen


Wo man uns nicht ausfragen kann:

- über unser Diensthandy


Wo man uns ausfragen kann:

+ während eines Termins


Wo man mich zusätzlich noch ausfragen kann:

+ wenn man mir zufällig beim Fortgehen begegnet

+ wenn man mir als Stammleser(in) Konstruktives zum Thema schreibt und ich Kapazitäten frei habe, um zu antworten


Ob meine Kolleginnen auch Fragen beim Fortgehen beantworten wollen, kann ich schwer einschätzen. Bedenkt bitte immer, dass viele Sexarbeiterinnen nicht geoutet sind und man einen ganz schönen Wirbel auslösen kann, wenn man indiskret agiert. Es ist immer besser, sich zurückzuhalten, wenn man unsicher ist, anstatt aus Versehen eine Familie oder Freundschaften zu zerstören. Außerdem möchten viele am Feierabend auch einfach entspannen und mal nicht an die Arbeit denken.

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