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Wie selbstbestimmte Sexarbeitende ins Unglück gestürzt werden

Aktualisiert: 17. Juli 2022

Es ist wirklich spannend: Man hat den besten Job der Welt und ist sehr glücklich, dann teilt man es dem eigenen Umfeld mit und ist mit Unverständnis, Mitleid und Vorwürfen konfrontiert. Natürlich hätte ich das alles für die Sexarbeit wieder in Kauf genommen, aber ich muss ehrlich gestehen, dass ich geglaubt hätte, ich sei resistenter gegen die Negativität von außen.


"Irgendwann wirst du einen Waschzwang bekommen!"

"Wird es dich nicht ekeln, wenn du alt bist und so viele Schwänze in dir drin hattest?"

"Die meisten Prostituierten verarmen im hohen Alter."

"Viele Prostituierte rutschen in die Drogenszene ab."

"Du brichst mir das Herz."


Es ist meist nicht die Sexarbeit an sich, die selbstbestimmte Prostituierte Selbsthass entwickeln lässt, sondern das unglaubliche Maß an gesellschaftlicher Verachtung, mit dem wir täglich konfrontiert sind. Dadurch entsteht genau die Abwärtsspirale, die die meisten Familien von Sexarbeitenden durch ihr Verhalten eigentlich verhindern wollten: Durch die fehlende Akzeptanz, die ständigen Vorwürfe und negativen Zukunftsprophezeihungen erhöht man die Wahrscheinlichkeit massivst, dass Sexarbeitende zu Drogen greifen oder sich irgendwann aufgrund ihres Berufes ekeln.


Zum Glück habe ich ein Netzwerk, das mit auffängt, wenn man mir negativ begegnet, aber viele andere Prostituierten haben das einfach nicht. Ihre Angehörige stürzen sie in den Abgrund und wundern sich dann, warum selbst Sexarbeitende nicht fliegen können, sondern am Boden aufklatschen und verrecken.


Es ist eine Tragödie, was das Umfeld aus so einer schönen Berufung wie Sexarbeit machen kann. Für mich ist Prostitution ein absoluter Safe-Space, weil ich endlich einen Ort gefunden habe, an dem man sich gegenseitig genau so akzeptiert, wie man ist. Während eines Paydate hat man einfach Spaß, begegnet sich mit Wertschätzung und Liebe und verurteilt sich nicht aufgrund von Belanglosem. Die erfüllendste Intimität meines Lebens habe ich mit meiner Kundschaft und nicht etwa mit einem Exfreund oder einem privaten Gschpusi. Es braucht für ein glückliches Sexualleben keine Liebe zwischen Person A und Person B, sondern Liebe, die in einer intimen Situation durch den wertschätzenden Umgang miteinander entsteht und den ganzen Raum in rosa Nebel hüllt.


Liebe Angehörige von Sexarbeitenden! Wir wissen, dass ihr Angst um uns habt und dass unser Leben jederzeit enden könnte, wenn wir an die falsche Person geraten. Wir wissen, dass wir uns andere Jobchancen durch die Sexarbeit vertun und gesellschaftlich geächtet werden. Wir wissen, dass wir auch mit der Kundschaft wahrscheinlich irgendwann schlechte Erfahrungen machen werden und dass nicht jeder Arbeitstag schön sein wird. Ich bitte euch, akzeptiert eure Familienmitglieder, wenn ihr sie wirklich liebt. Ihr trägt einen großen Teil dazu bei, dass sie weiterhin glücklich bleiben. Wenn ihr sie ständig nur mit Negativität und Ablehnung konfrontiert, wird sich das unweigerlich auf ihre Psyche auswirken. Bei allen anderen Familienmitgliedern seid ihr stolz darauf, wenn sie selbstständig und glücklich sind, warum könnt ihr nicht auch so reagieren, wenn jemand in der Erotikbranche tätig ist?


Werdet euch dem bewusst, dass ihr eure Liebsten durch euer Verhalten aktiv ins Unglück stürzt. Wenn wir sagen, dass wir unseren Job mögen, dann glaubt uns. Versucht uns nicht unser Leben zu verbauen, indem ihr uns in einen Rahmen pressen wollt, der einfach nicht für uns gemacht ist. Eure Angehörigen leben nicht für euch, sondern nur für sich selbst. Es liegt jedoch in eurer Hand, ob ihr deren Leben negativ oder positiv beeinflussen wollt. Ich hoffe, ihr entscheidet euch dafür, das Richtige zu tun.

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